Angestellte. Roman
Rainer Kloubert:
»Angestellte«
Roman


2008, Ln., 336 S.
€ 19 [D] / € 19,60 [A] /
sFr 34,40
ISBN 978-3-932245-91-6



Textauszug
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Rainer Kloubert (geb. 1944 in Aachen) studierte in Freiburg, Tübingen, Hongkong und Taiwan Rechtswissenschaften. Er war u. a. Sprachlehrer an der Militärakademie in Taiwan, Dolmetscher bei einem chinesischen Wanderzirkus und Anwalt in Taipeh. Er lebt in Peking und London.

Bereits erschienen:
»Selbstmord ohne Hut« (1998),
die Romane »Mandschurische Fluchten« (2000) und
»Der Quereinsteiger« (2003) sowie
»Kernbeißer und Kreuzschnäbel« (2007)



Über das Buch

Angestellte: eine Spezies, der man in der deutschen Literatur meist nur die kalte Schulter zeigt, als hätten sie eigentlich nichts zu sagen – Repräsentanten, Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte. Sie alle wollen in China Geschäfte machen – beileibe keine leichte Aufgabe, denn die Bräuche im Land der Mitte sind fremd, die Konkurrenten schneller und die Verführungen groß. Sie werden durch die Brille eines Erzählers gesehen, der aus Zufall in ihre Welt geraten ist: eine Welt voller Intrigen, Gier und Geld, aber auch eine von Schicksalsfügungen, Melodramen und Träumen von Glück. Man sieht den Erzähler leiden und will an seinen Triumphen teilhaben, seine verwundert boshaften Bemerkungen hören; manchmal freut man sich, wenn er angeschrien wird, oft weiß man nicht, auf wessen Seite man stehen soll. Das China zu Beginn des Romans ist ein völlig anderes als das zum Schluss – nur die Angestellten, die traurigen Helden der Geschichte, bleiben gleich.
Textauszug:


Kohns Vertrag lief aus. Er wollte aber in China bleiben und so besuchte er den Bademeister in seinem Büro, das im Hotel „Am Vordertor“ untergebracht war. Vielleicht konnte er ihm weiterhelfen.
Die aus drei Zimmern bestehende dunkle Suite war voll von schweren Vorhängen und wuchtigen Möbeln: tiefe Sessel, ein Schreibtisch mit einer Glasplatte, darauf eine Lampe mit grünem Schirm, ein Tischkalender mit gelochten Sinnsprüchen und ein schwarzes, wenig Vertrauen erweckendes Bakelit-Telefon mit zerfranster Schnur; unter der Glasplatte ein Sortiment Visitenkarten; auf dem Boden dicke Teppiche voller Stockflecken; ein überhitztes Badezimmer mit leckenden Wasserhähnen, aus denen eine braune Brühe rann, die auf die Becken rostig abgefärbt hatte.
Der Bademeister machte den summenden Kühlschrank auf und stellte ein paar Flaschen Bier auf den Tisch. Das Summen wurde lauter, es rappelte, dann verstummte es. Es wurde spät an diesem Abend.
Seine Firma verhandelte gerade über den Verkauf von Setzmaschinen: riesige Anlagen, in denen Kohle gewaschen wird. Ein Millionenprojekt, die Verhandlungen liefen sehr zäh. Wie es der Zufall wollte, war der Ehemann einer chinesischen Kollegin Kohns mit der Vergabe eben dieses Auftrags befasst. Um es kurz zu machen: Eine Andeutung seinerseits, dass Kohn an einer Position in China interessiert sei, reichte aus, um diesem die Türen der Firma zu öffnen. Nach sechs Wochen Vorbereitungszeit in Deutschland bezog Kohn im Hotel »Am Vordertor« ebenfalls eine Suite.
Ein neues Leben beginnt. Ein Fahrer holt Kohn jeden Morgen vom Friendship Hotel ab – für ein paar weitere Wochen noch sein Quartier. (Das Auto ist ein uralter Mercedes, den der Bademeister aus Japan mitgebracht hat – cremefarben und mit himbeerrot bezogenen Sitzen – und der Kohn weich gefedert durch die engen Gassen schaukelt.) Im Hotel angekommen – der Portier reißt die Tür auf, als sei er ein Generaldirektor – besteigt er den ächzenden Lift, schreitet durch die dämmrigen Flure, vorbei an zerbeulten Thermoskannen und Trolleys mit zusammengeknüllten Bettlaken (der modrige Geruch hängt Kohn noch Jahre später in der Nase), betritt seine Suite, zieht den Vorhang zur Seite (fast so schwer wie beim Theater) und nimmt hinter seinem Schreibtisch Platz, als habe er es sein Lebtag so getan: »Oyessoyessoyess.«
So einfach ist das also. Er schaut aus dem Fenster. Ein Arbeiter steht auf der letzten Sprosse einer schräg gegen einen Strommast gelehnten Leiter, die unter seinen nackten Füßen beunruhigend hin- und herschwankt. In der rechten Hand hält er ein Kabelende, in der linken eine brennende Kerze.

© 2008 Elfenbein Verlag

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