Landkrank
Tobias Schwartz:
»Landkrank«
Erzählungen
2022, geb. mit Schutzumschlag,
Lesebändchen, 272 S.
€ 24 [D] / € 24,70 [A] / sFr 32,70
ISBN 978-3-96160-078-6

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Buch

Ein Papiercontainer brennt. Die Polizei beschuldigt den kleinen Steffen. Der aber hat am Nachmittag nichts anderes getan als fernzusehen. Matthias, ein großer Fan der britischen Band The Smiths, steht kurz vor dem Abitur und weiß nichts mit sich und seinem Leben anzufangen, bis er der unsichtbaren Anne aus ihrer Schüchternheit hilft. Varnhagen, künftiger Ehemann Rahel Varnhagens, kommt gerade aus Paris, wo er Napoleon und Chamisso begegnet ist, und landet auf der abgelegenen Burg des Grafen Bentheim, der mit ihm vor allem über Liebesdinge sprechen will. Einer jüdischen Familie in Berlin, die vor den Nazis fliehen will, wird eindringlich geraten: »Fahrt nicht über Bentheim!«
Nach den beiden Emlichheim-Romanen »Nordwestwärts« und »Vogelpark« legt Tobias Schwartz nun einen Band mit vielfältigen, atmosphärischen Erzählungen vor, die, in verschiedensten Zeiten angesiedelt, wieder in die niedersächsische Provinz führen. Seine Figuren sind mit dem Leben konfrontiert. Sie kranken daran. Und sie kranken am Land wie Alexander und Eva, deren Kindergartenliebe einen tragischen Verlauf nimmt. Schwartz erzählt in warmen, humorvollen Tönen von Schicksalen, die man so schnell nicht vergessen wird.

Autor

Tobias Schwartz (geb. 1976) lebt als Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer in Berlin. Sein Debütroman »Film B« erschien 2007, seine Stücke wurden an verschiedenen deutschen Theatern gespielt.
Ebenfalls lieferbar: »Nordwestwärts« (2019), »Vogelpark« (2020) und »Morpho peleides« (2021)

Auszug

In der endlosen Ebene herrschte Stille. Das einzige Geräusch, das einem in die Ohren drang, war das dumpfe Hufgetrappel der Pferde. Düster und trostlos wirkte die karge und zerschlissene Landschaft auf den weitgereisten und elegant gekleideten Reiter, der sich, noch voller Eindrücke vom bunten Glanz und schwungvollen Leben seines Aufenthalts in Paris, an das Bild, das sich ihm hier in diesem entlegenen Grenzland offenbarte, erst noch gewöhnen musste. Nicht einmal das Herbstlaub, das von den Bäumen in Teilen bereits abgeworfen wurde, schmeichelte dem Auge, alles war braun oder schimmlig-grau. Von leuchtendem Gelb, Rot oder Orange indes, das diese Jahreszeit des Wandels anderswo in Fülle vor dem Betrachter ausbreitete, fehlte jede Spur.
Gerade noch die Welt, jetzt die vollkommene Abgeschiedenheit, sagte sich Varnhagen. Die Stille unterstrich sein Empfinden. Und die Tristesse, dachte er, dauerte an.
Den »Hofstaat« hatten sie schon vor einer Weile abgehängt. Der junge Graf, der Bruder des Obersts und Erbgraf dieses Landstrichs, ritt unmittelbar neben ihm — das hatte er sich nicht nehmen lassen — und deutete bisweilen mit der ausgestreckten Hand in die eine oder andere Richtung, auf dass ihr der Blick des Gastes bitte schön folgen möge.
Der Stallmeister selbst hatte ihnen zwei große und kräftige Hengste gegeben, dem künftigen Grafen einen temperamentvollen Rappen und Varnhagen einen gutmütigeren und leichter zu bändigenden Braunen, der nichts weiter dagegen zu haben schien, einen Fremden in seinem Sattel zu tragen.

© 2022 Elfenbein Verlag

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