Über die Kunst, ins Netz zu gehen
Joseph Beuys ist online im Hessischen Landesmuseum Darmstadt / Von Thorsten Scheerer

Katherine Stock fragte in metamorphosen 17 augenzwinkernd, wieviel denn wohl so ein Modul koste, und gestand uns, noch nie im Internet entlanggesurft zu sein. Katherines Module sind jetzt unter dem Namen Modems bekannt geworden, und auf Netzwellen zu surfen ist der Heidenspaß aller Netz-Newbies, die sonst keine Gelegenheit haben, ihren Dandyismus gescheit auszuleben. Hat man aber erst mal spitzgekriegt, daß einem alle wirklich spannenden Seiten im World-Wide-Web Kreditkartennummer und Paßwort abverlangen, weil sie weder gebühren- noch jugendfrei sind, gibt sich der passionierte Netzsurfer in Not gern als Bildungsbürger und Kulturmensch. All das schöne Geld, das monatlich an den Provider und die Telekom abfließt, soll ja nicht für umme zum Fenster rausgeworfen sein. Wenn schon, dann für die Kunst.

Weit surfen muß von hier aus keiner, findet sich doch schon im Hessischen Landesmuseum Darmstadt der "Block Beuys", bestehend aus mehr als 200 plastischen Arbeiten, einigen Vitrinen und Zeichnungen sowie Multiplen. Den über mehrere Räume auf einem Stockwerk ausgebreiteten Werkkomplex stellt das Museum unter der WWW-Adresse http://www.darmstadt.gmd.de/Museum/HLMD/beuys.html der netzsurfenden Weltöffentlichkeit im Internet vor. Was da zu bestaunen ist, sollte jemand bewerten, der sich mit Beuys und dem Internet gleichermaßen blendend auskennt. Klar – kann ich ja tun!

Es ist im allgemeinen traurig zu sehen, wie hierzulande die Kunstgeschichte die Belanglosigkeit ihrer Disziplin vorführt, indem sie verpennt, was sich seit einiger Zeit in der wunderbaren Welt vernetzter elektronischer Kommunikation tut. So ist Darmstadts Initiative grundsätzlich zu loben. Aber obwohl dieses Landesmuseum die wichtigsten sieben Räume der deutschen Nachkriegskunstgeschichte, den "Block Beuys" eben, besitzt, finden sich im Virtuellen solche Nichtigkeiten: Der (obendrein schlecht photographierte) Stuhl mit Fett von 1963 ist das einzige, was diese Webseite zieren und auflockern soll. Der Text bietet kurze Informationen über Joseph Beuys, den Werkkomplex sowie zum Begriff "Soziale Skulptur", die sauber recherchiert sind. Das war's, lieber Netzsurfer.

Leider kann das in keiner Weise dem umfassenden "Joseph Beuys Online Index" von Athena das Wasser reichen (http: //home.pages.de/~athena/), noch werden zeitgemäße Bildmaterialien geboten, wie Online-Videos, zu denen Kunstreisende im Netz beim Diacenter surfen können (http://www.diacenter.org/permcoll/beuys/beuys.html). Das ist schade, denn die Darmstädter hätten beides im virtuellen Regen stehen lassen können, wenn dort nur jemand darauf beharrt hätte, daß die Hypertexte im Web präsentieren sollten, was Kataloge oder Broschüren nie so raffiniert bieten können: gut sortierte Indizes mit ausführlichen Werkbeschreibungen, schicke Datenbanken oder gar animierte Bilddateien, die der Kunst im Netz auf die Beine helfen. Bitte nie vergessen: "Wer nicht denken will fliegt raus."


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