Liebe, Tod und Eifersucht
"Verbotene Liebe" / Von Oliver Vollrath

Das Germanistikstudium beendet, und kein Job ist in Aussicht? Den Schwerpunkt im Studium womöglich auf "Mediävistik" gelegt, und jetzt gibt es keine Verwendung dafür?

Weit gefehlt: Die Fangemeinde der Kultserie "Verbotene Liebe" harrt ausgewiesenen Literatur- und Geisteswissenschaftlern; und sei es nur, damit endlich das Desiderat eines Schaubildes über die Verwandtschafts- und Beziehungsverhältnisse der Akteure beendet wird. Denn gegen diese Aufgabe stellt sich der Umgang mit den Personenverhältnissen im "Parzival" Wolframs von Eschenbach als überschaubare Familienfeier dar.

"Verbotene Liebe" ist eine Fernsehserie mit offener Komposition, die die von Homer und der Scheherazade aus 1001 Nacht etablierte Tradition der fortgesetzten Erzählung aufgreift und auf den feierabendlichen Fernsehschirm überträgt. Beeinflußt von der unvermeidlichen "Dallas"-Saga des amerikanischen Fernsehens und den dortigen "soap-operas" schlägt die "Verbotene Liebe" eine Bogen zu den teutonischen TV-Diskursen "Unsere Nachbarn heute Abend: Die Schölermanns" (diese Serie brachte es in den Jahren 1954 bis 1960 auf stattliche 111 Folgen!), "Ein Herz und eine Seele"(die subversiv-anarchische Sendereihe der frühen Siebziger wird zur Zeit in der ARD wiederholt) und natürlich der "Lindenstraße". Derart gerüstet mit literarischen und filmischen Vorbildern führt uns die "Verbotene Liebe" in die Düsseldorfer Modewelt der Reichen und der Schönen, und sie läßt auch den dort ansässigen Kleinadel nicht zu kurz kommen. Dabei gelingt es ihr, aus dem Lebenskontext ihrer Rezipienten gegriffene Wünsche, Ideale und realiter bestehende Probleme zu überhöhen. Aus dieser Theatralik erwächst der Mythos "Verbotene Liebe", und aus diesem wird Kult: Die "Verbotene Liebe" kann auf eine beachtliche Fangemeinde blicken, denen sie bereitwillig einen voyeuristischen Blick in die Lebensumstände ihrer zahllosen Protagonisten gewährt. Dies geschieht durch die Parzellierung der einzelnen Episoden in zwei- bis dreiminütige Erzählblöcke, in welchen eine Personengruppe agiert. Das Konglomerat solcher Erzählblöcke innerhalb einer Episode stellt somit eine bestimmte Konstellation von Protagonisten in den Mittelpunkt; im Gegenzug dazu tauchen manche Akteure wochenlang nicht auf.

Die von dem amerikanischen Medienwissenschaftler Nathan Katzman herausgearbeiteten Problemfelder von "soap-operas", nämlich kriminelle Aktivität, soziale Probleme, medizinische Entwicklungen sowie Ehe- und Liebesprobleme werden reichhaltig abgedeckt; dabei kommt die "Verbotene Liebe" auch ohne den erhöhten "body-count" der "Lindenstraße" aus.

Was Edgar Reitz mit seiner "Heimat"-Saga und deren Nachfolger, der "Zweiten Heimat", mühsam plant, vorbereitet und ausführt, ergibt sich bei der "Verbotenen Liebe" von selbst: Eine Reihe zueinander gehörender Erzählsegmenten, welche im diachronen Ablauf Geist, Ideologie und Lebensgefühl einer Epoche beschreiben.

Ein Wort noch über den Konkurrenten "Marienhof": Durch ihre übertriebene Ambition in filmästhetischer Hinsicht; sprich den inflationären und aufdringlichen Gebrauch "kunsthafter" technischer Gestaltungsmittel hat sich die Serie selbst ins Aus bugsiert. Der wahre Kenner bleibt der "Verbotenen Lieben" treu, denn das ist Trash pur und nur wo "Verbotene Liebe" draufsteht, ist auch "Verbotene Liebe" drin, und der wahre Kenner schaltet nach der "Verbotenen Liebe" ab, um zu einem guten Buch zu greifen. Und wie der Verfasser dieser Betrachtungen wird der wahre Kenner am nächsten Werktag wieder vor dem Bildschirm sitzen und die Folge erwarten, in welcher Tim eines Morgens aus unruhigen Träumen erwacht, während der Zuschauer bereits ahnt, daß das Geräusch aus Tims Badezimmer von der duschenden Julia stammt.

"Verbotene Liebe" wird gesendet in der ARD; werktags, außer Samstag; 17.55 Uhr bis 18.20 Uhr.


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