Angel Panevski - Der digitale Akt
Die Eröffnung der Computergraphikausstellung in Mannheim / Von Thorsten Scheerer

Mannheim, Freitag der 13., 18 Uhr 30. Das Wetter ist so richtig schlecht, denn es regnet recht ordentlich, wie es sich für einen solchen Tag gehört. Ich bin leicht nervös, weil mir mein Krawattenknoten mißlungen ist, will aber mal hoffen, daß das keiner merkt. Zur privaten Ausstellungseröffnung für ihre Geschäftskunden lädt an diesem Vorsicht gebietenden Tag die Mannheimer Graphikagentur "Diabolo". (So heißt sie wirklich.)

Ich entflüchte dem Regen und betrete die Räumlichkeiten der Firma in der Dannstadter Straße. Ein geschmackvoll arrangiertes Büffet, der Geschäftsführer und seine zwei jungen, attraktiven Gehilfinnen, die sicherlich nicht nur hier arbeiten, weil sie prima maschineschreiben können, nehmen mich in Empfang. Die kühle Neonröhrenbeleuchtung irritiert mich sachte, und ich versuche mich am Büffet abzulenken. Während ich am bereitgestellten Sekt nippe, bemühen sich eine Geschäftsfrau und ein Geschäftsmann - beide offenbar in geschäftiger Einsamkeit angereist - um meine Aufmerksamkeit. Sie stellt ihren Fuß leicht abgewinkelt auf meine Seite, und ich fühle mich geschmeichelt. Wahrscheinlich glaubt sie, ich sei irgend jemand Wichtiges.

Wir drei also unterhalten uns über das Wetter, kleine Kinder, große Städte, Potsdam und Berlin. Derweil fällt mir auf, daß die zwei sich noch gar nicht angeschickt haben, die ausgestellten Bilder des Graphikers Angel Panevskis anzuschauen. Dafür sind die beiden ja auch viel zu angestrengt dabei, sich um ein Gespräch - oder zwei - mit mir zu bemühen. Ich höre noch so halb zu und will mal beschreiben, was es mit den Bildern auf sich hat.

Für die großformatigen Arbeiten Angel Panevskis dienen gewöhnliche Aktzeichnungen als Vorlage, die über den Weg digitaler Bildverarbeitung schließlich in gestalterisch veränderter Form als Graphiken auf Leinwand gelangen. Technisch gesehen sind diese auf Keilrahmen aufgespannten Werke das Produkt von Bildverarbeitungsprogrammen und von unüblich großen Vierfarb-Tintenstrahldruckern, graphisch gesehen stellen sie die bewußte Entscheidung zur Ambivalenz von gestalterischem Handwerk und digitaler Bildverarbeitung dar. Die Bilder leben einerseits von der Ästhetik kleiner Handzeichnungen und Skizzen, andererseits von der Überwältigungsstrategie, solche Skizzen durch digitale Bildverarbeitung auf ein unkonventionell großes Format zu bringen. Dieser Verarbeitungsweg leugnet zwar sowohl die gestalterische Handschrift, die für gewöhnliche Skizzen typisch ist, als auch deren Kleinformat, dennoch bleiben sie als solche stets erkennbar. Ich denke, dieser Schwebezustand ist es, der das Interesse wecken kann, die Bilder näher zu betrachten.

Angel Panevski kontrastiert die auf Lebensgröße aufgeblasenen Skizzen mit der sensiblen Einarbeitung von Farben. Auch dies geschieht im digitalen Bildverarbeitungsprozeß, und die Art der Einbindung von Farbe in die digitalisierten Skizzen erscheint in den ausgestellten Werken auf vielfältige Weise. Diese Bilder erinnern an Zeichnungen mit Pastellkreide, Lithographien und kolorierte Handzeichnungen. Andere wiederum machen den Anschein von Tuschearbeiten oder lasierender Ölmalerei, bis sich Angel Panevskis digitaler Farbauftrag in den Bildern mit großflächig aufgetragenen Farbfeldern, die ich salopp als Graphik-Design-Variante der Pop-Art bezeichne, von den Aktzeichnungen schließlich vollständig emanzipiert: Hier erschafft der flächige Farbauftrag Räume, in denen die Skizzen eingebettet sind.

Das alles ist sehr angenehm anzusehen, und ich stelle fest, daß es mir hier eigentlich ganz gut gefällt. Doch Geschäftsfrau und Geschäftsmann haben sich derweil anderen Konversationen zugewandt, und ich verabschiede mich nett, denn all die Gläser Sekt, die ich in der Zwischenzeit getrunken habe, lassen die Neonröhren an der Decke noch irritierender den Raum ausleuchten. Auch sehe ich nirgends mehr die zwei bezaubernden Gehilfinnen mit ihrer Anwesenheit die Gäste beglücken. Zeit zu gehen, entscheide ich, denn die Bilder, die kann ich mir hier noch bis Ende Januar näher angucken.


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