Brandão: Die Fischer Raul Brandão:
»Die Fischer«

Aus dem Portugiesischen
von Astrid Schoregge
und Sven Limbeck

2001, geb., 232 S.
€ 18 / sFr 31
ISBN 3-932245-35-0

Textauszug
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Raul Brandão (1867-1930) wurde in der Foz do Douro als Sohn eines Fischers geboren. Er studierte in Porto Geisteswissenschaften, brach sein Studium ab und verpflichtete sich in der Armee. Brandãos erstes Buch »Impressões e Paisagens« erschien 1890 und wurde wegweisend für sein literarisches Interesse an der einfachen Bevölkerung Portugals, das ihn zeitlebens nicht verlassen sollte. Der vielseitige Schriftsteller und Publizist, der seine Laufbahn mit einer journalistischen Karriere begann, gehört zu den bedeutendsten Vertretern der klassischen portugiesischen Moderne.



Über das Buch

In dem Buch »Die Fischer« vermittelte Raul Brandãos der Nachwelt Einblicke in ein Leben, von dem er wusste, dass es die fortschreitende Modernisierung nicht überdauern würde. Der Autor ist gleichzeitig Beobachter und Teil einer sterbenden Welt, wenn er den portugiesischen Fischern bei ihrem Überlebenskampf von Dorf zu Dorf folgt und Anteil nimmt an ihrer Arbeit, ihren Hoffnungen und Schmerzen. Eingebettet in überwältigend schöne Naturschilderungen wird von der täglichen Tragödie derer erzählt, für die jede Ausfahrt Leben und reichen Fang oder Tod und den Verlust eines geliebten Menschen an die See bedeuten kann. Unter Brandãos Feder entstehen kraftvolle Porträts von Männern und Frauen, die nie den Ehrgeiz hatten, der Nachwelt erhalten zu bleiben. Überwältigende Freude und abgrundtiefes Leid greifen nach dem Leser und versetzen ihn in eine vergangene Welt, die ihn nicht mehr loslassen wird. »Die Fischer« ist eine wehmütige Hommage ohne falsche Sentimentalität, voll Respekt vor dem Meer und den Menschen, die von ihm abhängig sind.

Textauszug:

Foz, das heißt für mich der Engpass, die Burg und der Berg, durch den der Rio da Vila fließt, und die Rua da Cerca zum Leuchtturm. Was jenseits davon liegt, existiert nicht … Mich interessiert nur das Dorf der Fischer und Seeleute, das wie ein Lebewesen natürlich gewachsen ist und sich dabei allmählich an das Leben der offenen See angepasst hat. Und selbst Foz beschränkt sich in meiner Seele zunehmend auf einen kleinen Winkel, auf ein halbes Dutzend Häuser und Charaktere, die ich als Kind kannte und im Gedächtnis behalte. Immer tiefer wurzeln sie in meiner Wehmut und werden umso lebendiger, je näher ich dem Tode komme. Die Welt, die es nicht gibt, ist meine wahre Welt.
Dieses hindämmernde Städtchen lag hundert Meilen von Porto und vom Leben entfernt. Dort lebten ein paar Fischer und Seeleute, António Luís, die Poveira, die Senhoras Ferreira, Dona Ana da Botica und die Capazorias. Und in Foz und im gedankenschweren Leça Menschen, die mit den Segelschiffen verschwunden sind, die Seeleute, die auf langen Reisen von drei Monaten nach Brasilien fuhren. Die Häuser waren reinlich wie ein Schiffsdeck und spähten übereinander hinweg aufs Meer. Alle hatten sie ein großes, drehbares Fernrohr, um Jachten oder Schiffe ablegen zu sehen oder begierig am Horizont nach dem Schiff zu suchen, das den abwesenden Mann oder Sohn an Bord heimbrachte, und sie hatten im Garten einen Mast, um ihnen ein letztes Mal zu winken. Mein Großvater mütterlicherseits fuhr eines Tages mit seinem Logger aus – meine Großmutter Margarida wartete auf ihn von ihrem zwanzigsten Jahr an bis zu ihrem Tod, von ihrem blonden Haar an, das ihr bis zu den Füßen reichte, bis zu ihrem weißen Haar, mit dem sie ins Grab ging. Wenn die schäumenden Wogen an der Düne tosten, wurde es den Herzen eng in der Brust, und beim Licht der Öllampe betete man endlose Stunden »für die, die aufs Meer hinauszogen«.

© 2001 Elfenbein Verlag

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