Pariser Lehrjahre
Nicolaus Sombart:
»Pariser Lehrjahre«
Leçons de Sociologie. 1951–1954
Herausgegeben von Carolin Fischer
Mit einem Nachwort von Reinhard Blomert
2023, Klappenbroschur, fadengeheftet, farbiges Vorsatz, 420 S.
€ 29 [D] / € 29,90 [A] / sFr 39,50
ISBN 978-3-96160-082-3

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Buch

Band 3 der Neuedition von Sombarts Autobiografie anlässlich dessen 100. Geburtstages am 10. Mai 2023: Ein junger Deutscher reist in den fünfziger Jahren nach Paris, um eine wissenschaftliche Arbeit über den Ursprung der Soziologie aus dem Geist der Französischen Revolution zu schreiben. Er wohnt in dem kleinen Hotel „Henri IV“ an der mysteriösen Place Dauphine. Zwischen Bibliothèque nationale und den „Salons“, zwischen Sorbonne und den „Deux Magots“, zwischen Lesen und Leben, Schreiben und Lieben erschließt sich die kulturelle Topographie der legendären Stadt. Sein Interesse als Soziologe muss es sein, als „teilnehmender Beobachter“ in das Zentrum der Pariser Gesellschaft vorzudringen. Den Weg dorthin weisen ihm kluge Männer wie Maxime Leroy, Gaston Bachelard, Pierre Bertaux, Joseph Breitbach und faszinierende Frauen, mit denen er die verschiedenen Etappen einer erotischen Initiation durchläuft. — Nicolaus Sombart erzählt dieses Stück seines Lebens wie einen Roman, voller Ernsthaftigkeit und Witz, voller Geschichten und intelligenter Betrachtungen.

Autor

Nicolaus Sombart (1923–2008), Sohn des Nationalökonomen Werner Sombart, war Gründungsmitglied der Gruppe 47. Er wurde 1952 in Heidelberg mit einer Dissertation über Henri de Saint-Simon promoviert. Zwischen 1954 und 1984 arbeitete er beim Europarat in Straßburg. Er schrieb u. a. Essays über Charles Fourier, Wilhelm II. und Carl Schmitt.

Herausgeberin

Carolin Fischer (geb. 1962) ist Professorin für Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Pau (Frankreich). Ab 1993 war sie regelmäßiger Gast bei Nicolaus Sombarts sonntäglicher Teerunde, der verschiedene seiner Bücher in ihrem 1988 gegründeten Salon vorstellte. Bis 2009 lud sie zu diesem regelmäßig Künstler, Schriftsteller, Intellektuelle. Neben Marcel Beyer, Wolfgang Büscher, Ulrike Draesner, Joachim Helfer, Alban Nikolai Herbst, Thomas Hettche und Sibylle Lewitscharoff las hier auch wiederholt Nicolaus Sombart, so anlässlich der Premiere seines Erinnerungsbuches »Journal intime 1982/83. Rückkehr nach Berlin«.

Beiträger

Reinhard Blomert lehrte Soziologie in Paris und Graz und war zuletzt Chefredakteur des „Leviathan“ am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung.

Auszug

Die Party fand in einem hypermodernen Appartement im Seizième statt, das durch zwei Etagen ging, ein Duplex. Alles war sehr luxuriös, mit jenem auserlesenen Geschmack ausgestattet, der eigentlich schlechter Geschmack ist. Exotisch, spleenig — pariserisch. So waren die Gastgeber. Sie extrem schlank, biegsam, in einem schwarzen, von den Knöcheln zu den Knien hochgeschlitzten, am Hals eng geschlossenen Etuikleid, verschlungene Perlenketten auf den bloßen bleichen Armen, ein goldener Schlangenreif wand sich bis zur Schulter hinauf, Ringe mit bunten Steinen an jedem Finger der leicht gespreizten Hände, dunkelgrün lackierte Fingernägel; sie sah aus wie eine Tänzerin aus einem expressionistischen Ballett und bewegte sich auch so. Er im schwarz paillettierten Abendjackett und mit Spitzenjabots üppig besetzter Hemdbrust, wie ich sie noch nie gesehen hatte, Biesenhosen und Lackpumps, der Schädel kahl — es war nicht zu erkennen, ob glattrasiert oder Glatze —, ein feines Mongolenbärtchen über sinnlichen Lippen, nur schwarze Knopfaugen verrieten, dass man es nicht mit einem Asiaten zu tun hatte. Einen Kopf kleiner als seine Frau, die über ihrem Vogelgesicht eine üppige Hochfrisur von schwarzgefärbten Locken trug, die sehr gut eine Perücke sein konnte, wirkte er wie eine sorgfältig auf sie abgestimmte Figurine aus demselben Ballett, zu pittoresk, um unheimlich zu wirken; das aber war offensichtlich der choreographische Grundgedanke. Im Übrigen sprach er kein Wort, nur sie plapperte unauf­hörlich, so affektiert und gekünstelt, wie man es erwarten musste, dabei in allem, was sie sagte, die Liebenswürdigkeit selbst.

© 2023 Elfenbein Verlag

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