Howard: Musketier
P. Howard (i. e. Jenő Rejtő):
»Ein Seemann und ein Musketier«
Ein Weltabenteuer
Kongenial aus dem Ungarischen übers. v. Vilmos Csernohorszky jr.
2014, Klappenbr., 256 S.
ISBN 978-3-941184-28-2
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Buch

« Marchez ou crevez! » Marschieren oder krepieren!, lautet die Devise aller Fremdenlegionäre, die auch unsere guten alten Freunde, der schöne, verwegene und verhältnismäßig eiskalte Alfons Nobody, der erfahrene Autor John »Keule« Fowler und der vierschrötige Meisterdieb Delle Hopkins besonders beherzigen, als sie sich mit Hilfe aufmüpfiger Unverschämtheiten strafversetzen lassen, um auf die Suche nach dem verschollenen Sohn eines hochrangigen Offiziers zu gehen, weil sie der schriftlich geäußerten Bitte der unbekannten Yvonne, eines schönen, bezaubernden und vornehmen Fräuleins aus Paris, unbedingt nachkommen wollen. Die Suche geht durch dick und dünn mitten in das krokodilverseuchte Land am schwarzen Fluss Kongo, wo sie in einem Sträflingslager für Legionäre endlich fündig werden. Zu ihrem Erstaunen sehen sie dort keine abgezehrten Zwangsarbeiter, sondern gutgenährte, verwöhnte Soldaten, die sich an Kuchen und Zigarren gütlich tun, statt die berüchtigte Kongobahn zu bauen. Sie trauen ihren Augen nicht und wittern eine gigantische Hochstapelei.
Mit von der lebensgefährlichen Partie ist auch der gute, alte, bärbeißige Sergent Potrien, dem sie ein für alle Mal abgewöhnen, sie zu schikanieren. Fehlen darf natürlich auch nicht der großnasige Türkische Sultan, ihr notorisch »verdächtiger« Kumpan, dessen Briefe so unverwechselbar sind wie die Rezepte des »großen Levin«, eines geisteskranken Kochs und manischen Feinschmeckers, dessen mysteriöser Ruhm auf den letzten Seiten endlich gelüftet wird. Und natürlich hilft ihnen auch der treue und feine »Herr Doktor Kwastitsch«, Barpianist, Morphinist und Unterweltsarzt aus St. Petersburg, der trotz seiner Leibesfülle mutig über halb gerissene Dschungelbrücken balanciert. Endlich begegnen die drei unerschrockenen Gefährten auch ihrer großen Liebe Yvonne und schlagen sich ihretwegen fast die Schädel ein, bis sie ihnen von den edlen Drei Musketieren erzählt. Als weitere Protagonisten erscheinen anständige wie verkommene Offiziere, hunderte von Neurotikern, Schurken und Suchtkranken, vierzig Schafe, eine Horde gemütskranker Affen, der neunzigjährige Wüstenwirt Selim, Lord Geoffroy mit seinem saharatauglichen Rolls Royce, und – last, but not least – Leila (die arabische Dämonin) … Der Nachwelt überliefert wird diese unsterbliche Legionärsposse, die mit einem umwerfenden Showdown in Französisch-Marokko endet, von John »Keule« Fowler, dem Troubadour der Place Pigalle, dem Minnesänger der Reeperbahn, dem Barden von Soho, einem bescheidenen Bestsellerautor und revolutionär-romantischen Gesellschaftskritiker, dem trotz Legion und Urwald der Schöngeist nicht abhandengekommen ist.
Eine köstliche Lektüre aus dem Jahre 1940, die dem geneigten Leser im Ohrensessel einen spannend erzählten und höchst amüsanten Abenteuerurlaub ins märchenhafte Reich Howardscher Absurditäten beschert.

Autor

Unter dem Pseudonym P. Howard (1905–1943) veröffentlichte Jenő Reich alias Jenő Rejtő – oder in der richtigen Reihenfolge: Rejtő Jenő – im Budapest der 1930er und 40er Jahre seine unnachahmlichen ironischen Geschichten, die in Ungarn bis heute ungezählte Neuauflagen erlebt haben. Seine absurden Dialoge sind die einzigartige Würze der Romane Rejtős. Nicht weniger abenteuerlich tragikomisch war seine Lebensgeschichte: Aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammend, wollte er nach dem Abitur Schauspieler werden, brach die Ausbildung aber ab, um durch die Welt zu streunen. In Afrika wurde er angeblich Fremdenlegionär, und mit 28 Jahren verschlug es ihn wieder nach Hause, wo er mit seinen Romanen immer erfolgreicher wurde. Sein Verlager riet ihm zu einem englischen Pseudonym – so wurde aus Rejtő Jenő »P. Howard«, ein Parodist von Abenteuer- und Kriminalromanen. Während des Krieges wurde er von den Nazis zum Arbeitsdienst nach Woronesch (Ukraine) deportiert, wo er am Neujahrstag 1943 erfror. In Ungarn zählt P. Howard, der Meister des Katastrophenwitzes, zu den beliebtesten Schriftstellern.
In den kongenialen Übersetzungen von Vilmos Csernohorszky jr. erschienen bereits die Romane:
»Ein Seemann von Welt« (2004)
»Ein Seemann und ein Gentleman« (2008)
»Ein Seemann in der Fremdenlegion« (2012)
»Ein Seemann aus der Neuen Welt« (2016)

Auszug

Vier Nationen waren am Tisch vertreten: ein amerikanischer Infanterist, ein französischer Gefreiter, ein englischer MG-Schütze und ein russischer Fleischsalat. Der Infanterist, der Gefreite und der MG-Schütze hatten auf der Bank Platz genommen, der Fleischsalat auf dem Tisch, in einer Schüssel.
Zeit: 7 Uhr nachmittags.
Schauplatz: Afrika, Rachmar, eine abgelegene Garnison in einer trostlosen Sahara-Oase, wo einige Dutzend vergessener Fremdenlegionäre und ein paar armselige Araber dahinvegetierten.
Personen: Identität ungeklärt.
Vorkommnisse: Keine.
Das auffälligste Charakteristikum der Oase von Rachmar bildete der Umstand, dass sie die am wenigsten auffällige und charakteristische Oase Afrikas war. In ihrer Mitte lag ein Militärlager, umgeben von einer Lehmmauer. Das Ganze bezeichnete sich ohne jeden Grund, nur so aus Gewohnheit, als »Fort«.
Einen Begriff von der Widerstandskraft des »Forts« bot ein jüngerer Vorfall, als nämlich der betrunkene Korporal wütend gegen die Wand trat und gleich darauf schwer verletzt ins Lazarett eingeliefert wurde, nachdem ein Wachtturm über ihm eingestürzt war.
Aber man nannte es dennoch »Fort«. Und eine Nummer gab man ihm auch. Dieses Fort war die Nummer 72 in der Reihe ähnlicher Baulichkeiten in der Sahara.
Hinter der Rundmauer standen ein »Stabsquartier« (ein kleines einstöckiges Haus aus Rohziegeln) und zwei Baracken für die Besatzung. In der Baracke lebten Soldaten, und in den Soldaten eine stumpfe Lethargie – infolge der Hitze und der öden Gleichförmigkeit der Tage.
Ungefähr fünfzig Palmen umringten das Fort: Staubige, matte, magere, halbtote Bäume, in deren Wipfeln eine beklagenswerte Horde gemütskranker Affen herumlungerte. Diese behaarten Väter der altehrwürdigen Evolutionstheorie wären liebend gern in üppigere Gefilde umgezogen, wussten aber nicht, auf welchen Pfaden es sie überhaupt hierher verschlagen hatte.
Zwischen den Palmen standen acht bis neun schäbige Hütten, die man Duar nannte. Ihr Sinn und Daseinszweck war unbekannt, denn die eingeborenen Besitzer gingen jahraus, jahrein nicht durch die Tür. Aber sie bewegten sich auch nicht von der Türe fort. Wohin sollten sie in der heißen Oase auch gehen? Oder was sollten sie in den Hütten tun? Andererseits war es auch nicht klar, was diese Araber vor der Hütte zu suchen hatten, wo sie doch nur herumsaßen. Aber ist es denn Sinn und Zweck einer Oase, in allem den Gesetzen der Logik zu entsprechen?
Also aßen, tranken, schliefen und langweilten sich die Eingeborenen vor der Hütte. Was erwartete sie schon in der Duar? Ein eingedrückter Topf, einige zerbrochene Habseligkeiten, eine verrottete Matte und ähnliches Gerümpel lagen verstreut auf der gestampften Erde. Außerdem lebten auch einige tausend Fliegen in der Behausung. Das alles war es nicht wert, dass man es aufsuchte, und die Ziege kam auch von selber heraus, wenn ihr der Magen knurrte.
Mittelpunkt der Oase Rachmar war das »Grandhotel«. Abweichend von gleichnamigen europäischen Institutionen war das »Grandhotel Rachmar« ein mieser, kleiner Verschlag und bildete einen einsamen, pathetischen Vorposten des in Europa triumphierenden Bauhausverhaus. Der Besitzer, ein Halsabschneider, dem ein Auge fehlte und der seine zehnjährige Haftstrafe vorschriftsmäßig verbüßt hatte, war nun stolzer Betreiber dieses Speiserestaurants, gegründet mit den Erträgen aus seiner emsigen Vergangenheit. Karawanen, die nach Timbuktu zogen, und durchreisende Jagdgesellschaften bildeten seine größeren Einnahmequellen, während die beiden arabischen Gendarmen der Oase und die hundert Mann starke Garnison für den laufenden Geschäftsgang sorgten.

Pressestimmen

»Schräg ist das Mindeste, was zu sagen ist: Jede Menge witziger Situationen, origineller Missverständnisse und absurder Dialoge. Kafka meets Schweijk.«
(Hans von Trotha, Deutschlandradio Kultur)

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