Holschuh: Unterderhand
Andreas Holschuh:
»Unterderhand«
Gedichte
Mit einem Nachwort von Sven Limbeck
1996, geb., 118 S.
€ 12 [D] / € 12,40 [A] / sFr 17,40
ISBN 978-3-932245-00-8
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Autor

Andreas Holschuh (1957–1996) veröffentlichte Gedichte in verschiedenen Anthologien und Literaturzeitschriften. »Unterderhand« war sein erstes und einziges Buch. Er nahm sich 1996 das Leben.

Auszug

abgesang

mein gott die neunziger
was soll man da sagen ist doch wahr
das ergibt doch wieder nur dies und das
jede menge dingsbums firlefanz oder was
nochn büschen kasperletheater
eh die epoche kippt
alles mehr oder weniger als ob
als ob zweite wahl abklatsch
zwölfter aufguß zwanzigster aufwasch
karzinogen das alles
hier am ende der wegstrecken
riecht es stark nach verwesung
vermehrte klumpenbildung in den städten
viel geklontes auf den straßen
man verwechselt sich zunehmend
mit den nachbarn so etwas gibt es
das kommen und gehen von gesichtern
united states of aids
miss world und mister universe gemalt
von hieronymus bosch
tartuffe feiert fröhliche urständ
spaltzungen rabulisten
in offiziellem auftrag
öffentlich rechtliches gelaber
gesabber aus deprivierten köpfen
koma agonie und letztes aufgebot
ein rattenfänger geht um im staate
dänemark ein rattenfänger
er heißt schnickschnack
deutschland heimat fette hure
baulöcher arschlöcher ozonlöcher
all diese sogenannten verkettungen
unglücklicher umstände
konsequent pathologischer leerlauf
all in motion linkshälftiges
lastiges lästiges cerebrum und all
die summen seiner teile und all
die opfer seiner schwerkraft
als reizphysiologisches funktionsbündel
in der skinnerbox daneben nichts
als externe variablen
wer hier zuletzt lacht
den bestraft das leben
selbst der weltuntergang zieht sich hin
spätmodern und infantil
es ist leicht hier sachwalter
oder buchhalter der apokalypse zu sein
man richtet sich ein allmähliche hölle
sonne ein wenig beim schließen der lider
alles in allem die verzweiflung spottet
jeder beschreibung die trauer nicolas
ist noch trostloser geworden
man denkt sich ständig hier weg
und kommt nirgendwo an
ein paarmal noch nebenleben
in den nebenhöhlen hoffnung auf hoffnung
beim schlucken der pillen
noch zu klärende fragen
wären gewesen ob das aber was
und wenn aber dann wann
oder doch dieses jenes trotz allem
oder gerade deshalb
aber lassen wir das
die neunziger also
abwarten und tee trinken
hautnah nur der fußpilz
oder andersherum
die faxen dicke und die schnauze voll
wie sagte doch onkel max schon vor jahren
man kann gar nicht soviel fressen
wie man kotzen möchte

Pressestimmen

»Die expressiven, auf artistische Schnörkel verzichtenden Gedichte sind ganz und gar authentisch. Hier schrieb sich einer mit radikaler Konsequenz ins Leben hinein. Holschuh war keiner von denen, die im eitlen "Nabelgeschwätz" oder in der allgemeinen "Gesinnungsfront" zu Hause waren. Ein bewegendes Buch.«
(Darmstädter Echo)

»Diese Poeme eilen ohne Komma und Punkt in einem kompromißlos pessimistischen Tonfall dahin. Holschuh tritt selbstbewußt auf, von den Eitelkeiten des Literaturbetriebs scheint er nichts zu wissen.«
(Michael Buselmeier, Freitag)

»Wir können nur hoffen und uns als Lesende wünschen, daß sich die Edition Lyrik der Jahrtausenwende durchsetzen wird.«
(Barbara Traber, Literaturforum Schweiz)

© 1996 Elfenbein Verlag

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